Herfried Münkler: „Die Deutschen sind die Düpierten“
Wenn Sie aktuell verstehen wollen, wie sich die Welt derzeit entwickelt, dann empfehle ich dieses Interview mit Herfried Münkler im Tagesspiegel: „Die Deutschen sind die Düpierten“
Sollten Sie kein Tagesspiegel-Abo haben bzw. der Artikel nicht (mehr) frei verfügbar sein, dann haben Sie hier immerhin einige Kernaussagen, die ich absolut bestätigen kann:
“Wir sind nach wie vor auf dem Weg zu einer multipolaren Weltordnung. Das Ensemble der fünf Weltmächte [USA, Europa, Russland, China und Indien, Anm.] wird bereits sichtbar, niemand entscheidet allein. Nur entwickelt es sich nicht in dem schönen Sinne, dass sich die fünf Mächte an einen Tisch setzen und alles in Ruhe besprechen. Vielmehr rumpeln sie in die globalen Strukturen hinein.”
“Trumps Abwendung von der Ukraine ist ein Weckruf für Europa, das sich als eigenständiger Akteur positionieren muss, um nicht aus der Gruppe der Fünf auszuscheiden. Wir erleben einen Epochenbruch. Der transatlantische Westen als Stützpfeiler der Weltordnung löst sich auf – der Streit zwischen Trump und Selenskyj symbolisiert diesen Wendepunkt. Sie waren die ikonische Verdichtung eines Endpunktes. Es war ein Tipping Point, kein aus dem Ruder gelaufenes Gespräch.”
“Demokratien werden es schwer haben. Auch in Europa gibt es Akteure, bei denen der demokratische Rechtsstaat ausgehebelt wird, etwa Ungarn. Die Zukunft des Demokratietyps, in dem die gemeinsame Beratung der Entscheidung vorausgeht und in dem die Verfassung die Möglichkeiten direkter Volksentscheide einschränkt, ist infrage gestellt. An ihre Stelle könnten die im Kern illiberalen, sogenannten akklamatorischen Demokratien treten, die ihre Legitimation aus der direkten Zustimmung beziehen, dem Beifall großer Menschenmengen.”
“In der jetzt sich entwickelnden machtbasierten Ordnung gibt es die Zeit nicht mehr, um monatelang nach innereuropäischen Kompromissen zu suchen. Ängstlichkeit und Zögern sind bei uns zu oft Grundlage des politischen Handelns. Deutschland muss aber initiativ und aktiv gestaltend handeln.”
Und, ganz besonders:
“Es wird eine große Herausforderung, mäßigend aufeinander einzuwirken – eine Aufgabe für Europa. Die neue Weltordnung wird stärker von Interessen als von Werten geprägt sein. Bisher hielten sich vor allem Europäer und neutrale Staaten an Werte. Die Hauptaufgabe besteht nun darin, Europa zusammenzuhalten, wobei Deutschland eine Schlüsselrolle spielt. Die Europäer müssen aber auf der Hut sein: Auch die Chinesen und Trump haben ein Interesse an der Auflösung der EU, um deren Macht zu beschneiden.”
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