Über Lockerheit im Wissenschaftsbetrieb – beziehungsweise den entsprechenden Mangel

Tolles Interview mit Wiko-Rektor Luca Giuliani mit einer wahren Aussage: “Geisteswissenschaftler können sich oft schwer von der Vorannahme trennen, dass das, was sie bearbeiten, erstens das Wichtigste ist, und zweitens, dass ein gebildeter Mensch das einfach zu kennen hat. Naturwissenschaftler gehen damit sehr viel lockerer um.” ;-)

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Rückblick (Text) und Einblick (Video): “Empowering Democracy through Culture – Digital Tools for Culturally Competent Citizens”

Ich durfte im vergangenen Oktober dankenswerterweise hier zu Gast sein:

“4th Council of Europe Platform Exchange on Culture and Digitisation “Empowering Democracy through Culture – Digital Tools for Culturally Competent Citizens” ZKM | Center for Art and Media, Karlsruhe, 19-20 October 2017”

Dazu gibt es jetzt ein kurzes Video mit entsprechenden Einblicken in das Meeting:

Die dazugehörige Website samt Veranstaltungsrückblick findet man hier.

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Ein riesiger Erfolg in 2017: unser Internetsoziologie-Wiki

Fast 90.000 Zugriffe im Dezember des gerade vergangenen Jahres – das ist nicht nur Monatsrekord, sondern ein sehr angenehmer Beleg für ganz offensichtlich recht interessante Arbeit, die mein Team und ich dort abliefern ;-) Für den unwahrscheinlichen Fall, daß Sie unser Wiki noch nicht kennen: humer.de/wiki (Gesamtergebnis für 2017 im Übrigen: 675.000 Zugriffe – vielen Dank an alle, die unser Wiki interessiert hat!)

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Wissenschaftsjahr 2017: Sehr schön, aber stellenweise auch sehr schwierig

So schön 2017 wissenschaftlich gesehen für mich persönlich war, so schwierig war es auf der Metaebene. Besonders die weiter zunehmende Wissenschafts- und ExpertInnenfeindlichkeit wiegt schwer. Aus diesem Grunde empfehle ich zwei Vorträge, die sich genau diesem Thema widmen:

1. Carolin Emcke zu Gast im Wiko Berlin (Video):

2. Rede von DFG-Präsident Peter Strohschneider auf der Festveranstaltung 2017 (Link zum Video):

http://mediathek.dfg.de/video/rede-von-dfg-praesident-peter-strohschneider-festveranstaltung-2017/

Besonders schön ist m.E. der Hinweis von Herrn Strohschneider auf die “Szientokratie”, welche zutiefst undemokratisch ist und nicht nur von mir abgelehnt wird. “Die Wissenschaft hat kein politisches Mandat, und es fehlt ihr auch nicht”. Exakt.

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Sammelband “Digitale Polizeiarbeit” erhältlich

Und wir (sprich: meine ehemalige Mitarbeiterin Alex Eigenseer und meine NTF-Kollegin Anna Lederer) haben auch etwas beigesteuert: https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-19756-8_8
Kurzbeschreibung unseres Beitrags “Von der konventionellen zur intelligenten Videoüberwachung – Chancen und Risiken für Polizei und Gesellschaft”:

“Intelligente Videoüberwachung ist längst keine Utopie mehr. Kameras sind inzwischen nicht nur digital, sie werden zunehmend „intelligent“: Ging es früher meist um das Beobachten an sich, laufen heutzutage immer öfter Systeme im Hintergrund mit, die live oder zeitnah Analysen durchführen, beispielsweise zu Fahndungszwecken im polizeilichen Bereich.”

Darum geht es. Und um einiges mehr. Bei Fragen erreicht man uns gern via Mail (siehe Impressum).

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Tendenzanalyse Bundestagswahl 2017: Sehr gute Einschätzungen – Beurteilungsmodell weiter bekräftigt

Leider war der Tag heute zu voll für eine Detailanalyse, aber ein wenig soll nun schon noch zu unseren Ergebnissen der hauseigenen Tendenzanalyse berichtet werden: Wir haben in unserer Arbeitsgruppe insgesamt 18 Merkmale (sechs Parteien mit je drei Merkmalen) geprüft und bei einer Fehlertoleranz von +/- 1 Prozentpunkt eine Trefferquote von 13 erfolgreichen Merkmalsschätzungen aus 18 und bei einer Fehlertoleranz von +/- 3 Prozentpunkten eine Trefferquote von 18 aus 18. Also zumindest in beiden Fällen überzufällig. Und in den für uns besonders wichtigen Teilbereichen ebenfalls mehr als zufriedenstellend. Mehr dazu hoffentlich morgen, ansonsten im Laufe der nächsten Tage.

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Der epistemologische Penis: Satire als Forschungsmethode

Zehn Jahre Universität der Künste hinterlassen natürlich ihre Spuren. Da kommt man – glücklicherweise – auf Ideen, die man woanders so sicher nicht bekommen hätte. Eine Angelegenheit war bei (Abschluss)Arbeiten immer ein sehr wichtiger, wenn nicht gar der entscheidende Aspekt: eine Arbeit muss inhaltlich klar erkennbar für etwas stehen. Ein Ziel, eine Aussage muss deutlich werden. Das „Minimum“, das immer erreicht werden sollte, war (und ist natürlich auch heute noch) das Wecken eines Bewußtseins für ein bestimmtes Thema. Dies kann auf vielerlei Art und Weise erreicht werden, und einer der interessantesten und nach meiner Beobachtung wirksamsten Ansätze – freilich längst ein Klassiker, auch in der digitalen Kunst – ist das Irritierende, das Verstörende, oder, wenn man es gleich in eine bestimmte Richtung dirigieren mag: die Satire. Wird das Publikum verstört, hat man seine Aufmerksamkeit. Wird das Publikum aus seiner Wohlfühlblase gerissen, erntet man echte, wahrhaftige, ehrliche Reaktionen. Und mit Satire kann Verstörung erfahrungsgemäß sehr gut gelingen.

Diesen Ansatz nutze ich längst – mit großem Erfolg in sehr vielen und nur geringem Erfolg in sehr wenigen Fällen – in der Wissenschaft. Sehr experimentell und punktuell freilich, aber immerhin. Da ich selten bis nie in meinen Projekten dingliche Werke wie Skulpturen oder Modelle anfertige (ich war an der UdK ja gerade nicht als Künstler, sondern als Wissenschaftler tätig), funktioniert die Verstörung durch und für mich fast immer auf sprachlicher Ebene. Selbstverständlich muß diese Idee vorsichtig eingesetzt werden, d.h. in klassischen wissenschaftlichen Vorträgen verbieten sich m.E. allzu krasse Rollenwechsel, aber je nach Gelegenheit und Setting darf, ja: muss es ab und zu schon mal heftig werden und man selbst vom braven Gesprächspartner zum verbalen Ver- und Zerstörer werden. Vor allem, wenn man ein Gegenüber hat, welches eine Offenheit für diese Methode signalisiert oder sogar unzweifelhaft bestätigt. So kann beispielsweise aus einem langweiligen Workshop eine inhaltlich gewinnbringende Runde werden, in dem die Menschen aus ihrem Schneckenhaus herausprovoziert werden. Im Idealfall zumindest. Glücklicherweise ist das recht oft.

Der Nachteil dieser Methode ist selbstverständlich klar und deutlich erkennbar: nicht jeder läßt sich darauf ein. Oder anders gesagt: nicht jeder versteht sie ad hoc. Provokation als Methode des Denkanstoßes hat sicherlich viel mit Versuch und Irrtum zu tun. Die einen werden gekitzelt und erbringen in der Folge interessante intellektuelle Leistungen, die anderen fühlen sich schlicht verarscht, angegriffen oder beleidigt und reagieren abwehrend oder gar selbst beleidigend. Dieses Risiko muß man allerdings eingehen, denn sobald das „Publikum“ (also auch die Kolleginnen und Kollegen in einem Workshop) weiß, daß eine Provokation Teil des „Deals“ ist, greift sie nicht mehr. („Ach ja, er mit seinen Witzchen“). Bereits dieser Text hier ist deshalb streng genommen ein Problem: einerseits rückt er (bisherige) „Witzchen“ zumindest rückwirkend ins rechte Licht, andererseits wird dadurch die Methode unaufhaltsam untergraben. Eine Grenzüberschreitung muß also von Zeit zu Zeit passieren, sonst ist der Ansatz sinnlos.

Damit man sich aber trotzdem nicht um Kopf und Kragen redet, weil man altbekannte forschungsethische und methodologische, ja vielleicht sogar epistemologische Aspekte neu interpretiert oder gleich bewußt außer Kraft setzt (und durch neue Ideen ersetzt), gibt es an dieser Stelle einige meiner Grundsätze, die für mich Teil des gesamten Prozesses sind und mit deren Hilfe meiner Erfahrung nach – trotz aller Risiken – das Werkzeug der Verstörung auch in der Forschung sehr gewinnbringend genutzt werden kann:

– Die Ausgangsbasis darf, soll, muß – wie oben bereits erwähnt – sein: Satire darf alles! Denn erst durch die Verstörung beginnt sie zu wirken. Manchmal müssen Menschen mit brachialer Wortgewalt aufgerüttelt werden, um wirklich Gutes zustande zu bringen. Manchmal muss es sogar die komplette Zerstörung von alten Zuständen sein, um Neues zu kreieren. Spürt man das, ist es fast schon Pflicht, hier entsprechend einzusteigen und sich dieses Werkzeugs zu bedienen. Wenn alles andere nicht zu helfen scheint, bleibt nur die Grenzüberschreitung. Für Inspirationen empfehle ich an dieser und anderer Stelle immer wieder gern das Multitalent Serdar Somuncu – meine Facebookfreunde kennen das bereits. (Remember: everything is an experiment ;-)

– Es geht bei Verbalangriffen natürlich nicht nur um Verstörung bzw. Zerstörung auf der Mikroebene. Tatsächlich freie Rede ist immer auch eine Grundrechtsfrage, also ein Thema für die Metaebene. Man erfährt durch Grenzüberschreitungen sehr gut, was die Mitmenschen wirklich vom Menschenrecht auf freie Rede halten, denn ihre Reaktion zeigt ihre Haltung auch in dieser Hinsicht. In nicht wenigen Fällen entpuppte sich dann schon manch‘ vermeintlicher Freigeist als Kleingeist. Ich bin Vertreter einer sehr liberalen Idee von Redefreiheit und großer Fan der Ideen von Timothy Garton Ash. Oder um es noch konkreter (und gern auch provokanter) zu sagen: für mich ist Redefreiheit in Deutschland noch ausbaufähig. Da würde mehr gehen, ohne gleich das Gemeinwesen zu gefährden. Und: ja, diese Aussage meine ich absolut ernst. Leider scheinen wir uns derzeit mit Sicherheit nicht in diese, sondern genau in die entgegengesetzte Richtung zu bewegen, da ich nicht sehe, daß die saubere Trennung zwischen strafrechtlich relevanten Inhalten und Redefreiheit ein gesamtgesellschaftlicher Herzenswunsch zu sein scheint. Vielmehr wird in vielen Fällen wild draufgehauen, gelöscht und, wie manche Kolleginnen und Kollegen sagen, „überzensiert“ – schade, denn damit, so meine Überzeugung, geht mehr verloren als letztlich gerettet wird. Dieser Meta-Aspekt ist m.E. untrennbar mit der Nutzung von Satire als Methode verbunden. Es wird nach jeder Nutzung dieses Werkzeugs auch immer um die Rolle der Redefreiheit gehen. Und das ist auch gut so.

– Es muß am Ende immer und ausnahmslos erkennbar sein, daß hinter der Verstörung ein höheres (ehrenwertes) Ziel steckt und sie nicht Selbstzweck oder bloße Belustigung ist. Das heißt nicht, daß eine Vorankündigung, eine Warnung, ein Spoiler oder Disclaimer erfolgen muß (denn das würde die Sache ad absurdum führen), sondern daß am Ende eines Analyseprozesses immer die Erkenntnis stehen muß, daß es hier um eine besondere Methode ging und nicht um ernstgemeinte Verletzungen. Das gelingt meines Erachtens dann sehr gut, wenn die Person, die diese Methode ausübt, insgesamt, ohne Wenn und Aber, als Persönlichkeit in Wissenschaft und Privatleben, für etwas steht, was den präsentierten Verstörungen diametral entgegensteht: zumindest für Freiheit mit Verantwortung, Demokratie und Menschenrechte, Humanität und Liberalität. Dann übrigens gelingt die Verstörung auch am besten: wenn der „liebe Kollege“ plötzlich radikal wird, wenn der Seitenwechsel radikal ist. Und er eben am Ende (und nicht zu Beginn) das Rätsel auflöst – nachdem hoffentlich auch etwas kreativer Gewinn eingebracht werden konnte. Dann kann man über die Methode an sich reden.

Satire ist offenbar ein neuer Ansatz, zumindest kein besonders etablierter, und es gibt noch viel zu erforschen und zu definieren. Meine obigen Gedanken sind erste Ansätze, keinesfalls die allumfassende Weisheit der bisherigen punktuellen Nutzungen dieses Werkzeugs. Ab und zu taucht Satire im Wissenschaftsbetrieb schon auf, beispielsweise wenn der Penis als soziales Konstrukt thematisiert wird. Deshalb werde ich in einem meiner Seminare im Wintersemester Satire als Forschungsmethode zum Thema machen, um das Ganze mal gründlicher zu erforschen. Ich bin gespannt!

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Wissenschaft als Glücksspiel: Nicht zu empfehlen

“Doch (…) gab es neben dem Skeptiker auch immer den “Denkführer”, der anfängt, ein neues Theoriegerüst zu errichten, ohne damit praktische Lösungen zu finden oder gar Geld machen zu wollen.”

Ja.

“In Zeiten permanenter, gnadenloser Evaluierung von Hochschulen und des Imperativs, im Team zu forschen, kommt vielleicht derjenige zu kurz, der eigentlich nur Einsamkeit und Freiheit braucht.”

Exakt.

“Man darf fragen – ohne sich damit gleich dem Vorwurf des Neoliberalismus auszusetzen – ob die Bürokratisierung der europäischen Hochschulen nicht auch eine gewisse Verzerrung zumindest auf dem universitären Marktplatz der Ideen darstellt.”

Definitiv.

Aber in Zeiten allgemeiner Expertenskepsis wird sich das wohl (zumindest kurzfristig) nicht ändern. Die Rahmenbedingungen machen Forschung jenseits absehbarer und sehr (!) konkreter Verwertung extrem unattraktiv. Und das eben nicht nur wegen des Geldes, sondern auch hinsichtlich Wertschätzung und allgemeinen beruflichen wie persönlichen Perspektiven. Wissenschaft gleicht (beispielsweise in Deutschland) ohnehin schon in sehr vielen, wenn nicht gar den meisten Fällen einem Alles-oder-nichts-Spiel – warum dann auch noch Luhmannsche Ziele anstreben? Empfehlen kann man es jedenfalls niemandem.

Geht der Gesellschaft dadurch etwas verloren? Definitiv.

(Quelle: SZ)

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