Abschied von X vor drei Monaten: Es war nicht alles gut

Es ist jetzt ungefähr drei Monate her: Als der durchgeknallte Milliardär aus Südafrika seine Liebe zur AfD bekundete, war für mich der Schlussakt erreicht. Diesem Spinner wollte ich kein Geld und auch keine Inhalte mehr zukommen lassen. Ja, natürlich: Was macht ein X-Abo schon für einen Unterschied? Aber es ist das konkrete Zeichen, daß ich setzen kann. So wie übrigens zahlreiche andere Menschen auch, Stichwort: Tesla. Produktboykotte können wirken, wie ich bereits in meiner Jugend eindrucksvoll beobachten konnte. Zudem erreichten mich zwei Interviewanfragen zu diesem Thema, was zeigt, daß mein Zeichen nicht unbemerkt blieb. Und das freut mich natürlich.

Ein Vierteljahr „ohne X“ – das klingt vielleicht ein wenig nach Entzug. Aber wenn ich meinem Umfeld Glauben schenken darf, dann war es glücklicherweise nicht so dramatisch. Und auch das freut mich. Wirklich viel Zeit (im Sinne eines sozial schädlichen Verhaltens) verbrachte ich selbst in Spitzenzeiten nicht auf dieser Plattform, es bewegte sich pro Tag alles im Minutenbereich. Ja, es gab in 15 Jahren ca. 100.000 Tweets, aber dazu zählen auch Retweets, und so ein Retweet-Klick benötigt ungefähr eine Sekunde. Wenn ich schätzen müßte, dann war ca. jeder 20ste Tweet/Post einer mit eigenem Inhalt. Das ergibt bei mehr als 5000 Tagen 5000 Tweets, also nicht einmal einen pro Tag. Zieht man dann längere Debatten ab, die auch gerne mal mehrere Dutzend Posts beinhalten können, dann sieht man: So viel Aufwand wurde da gar nicht betrieben – und so viel Input fehlt einem da heute auch nicht.

Und, wie fühlt sich dieses Vierteljahr nun unterm Strich an? Ich muß sagen: Sehr gut. Auch wenn ich beruflich mit Social-Media-Analysen zu tun habe und über ein ausgleichendes soziales Umfeld verfüge, so habe ich mit dem nun erlebten Abstand doch bemerkt, wie durchgeknallt viele Personen und Debatten auf X tatsächlich waren. Zwar schienen meine Methoden gegen den Irrsinn – Kommentarmöglichkeiten unter meinen Posts nur für die Menschen, denen ich folge sowie ab und zu eine Vollsperrung des Accounts durch „Abschließen“ – durchaus zu funktionieren und natürlich läßt man bei einem Weggang auch immer tolle Menschen zurück (von denen mir einige sogar auf die neuen Plattformen gefolgt zu sein scheinen, was mich sehr berührt hat und extrem freut!), aber so, wie es jetzt ist, gefällt es mir doch besser. Früher war eben nicht alles besser, sondern – wenn der Blick erst einmal klarer ist – manchmal sogar deutlich schlimmer. Hätte ich nicht so viele Erlebnisse auf X für meine Forschung nutzen können, dann würde ich mich heute doch ein wenig über die privat verschwendete Zeit ärgern.

Ab und zu ein Like, hier und da eine DM, mehr nicht: Ist dieses sporadische Auftauchen auf der Plattform seit dem offiziellen Weggang etwa ein Hintertürchen für die X-Rückkehr? Nein, sorry, das ist nicht der Fall. Mein Verzicht gilt, mindestens solange wie der Hitlergruß-Zeiger noch der Chef des Landens ist. Wahrscheinlich ist aber vielmehr, daß ich meine Social-Media-Zeit insgesamt weiter reduzieren bzw. noch stärker fokussieren werde. Nach so vielen Jahren ist mein persönliches Social-Media-Fazit, völlig unabhängig von allen Plattformen: Leider hat man es immer wieder mit einem Misthaufen zu tun, auf dem dann eine schöne Blume wächst, vielleicht auch mal zwei. Eher weniger. Denn manchmal ist auch nur Mist zu sehen, meilenweit, bis zum Horizont. Das ist mir insgesamt zu wenig effizient. Ich kann deshalb jeden verstehen, der auf Social Media eher „sendet“ und nicht mehr diskutiert oder auch vernetzt. So bleibt man präsent, schont aber sämtliche Ressourcen, die man sonst fast ausschließlich verschwendet hätte. Schade, aber leider wahr.

Es war phasenweise sehr schön, keine Frage, es sind immer noch einige tolle Menschen dort, aber dann wurde es für mich einfach zu schräg. Und das sollte man anerkennen und auf die Bremse treten. Hab ich gemacht. Find ich gut. Letztlich muß jeder selber entscheiden, ob er sich Musk und seine Fanboys weiter geben will. Ich will es nicht. Manchmal ist weniger tatsächlich mehr.