Deutsche Waffengesetzgebung und Dienstvorschriften bei weiteren Anschlägen nicht durchhaltbar

Die wenigsten Menschen, die bedroht werden oder sich bedroht fühlen, bekommen einen Waffenschein. Die Hürden sind hoch, die Ämter meist abgeneigt. Das hat viel mit deutscher Behördenmentalität zu tun, so mein Eindruck, und leider oftmals viel zu wenig mit der jeweiligen Sachlage. Denn das Waffentragen wird oftmals selbst denen verboten, die es professionell ausüben, und das mit ähnlichen Argumenten (worauf in der Folge noch eingegangen wird):

“Besonders häufig gibt es auch Anfragen nach bewaffneten Sicherheitskräften. Doch da müssen die Anbieter fast immer absagen. Denn um bei einer Veranstaltung eine Waffe tragen zu dürfen, müssten die Behörden, meist die Landratsämter, eine Sondergenehmigung erteilen. Doch die gibt es auch nach den Anschlägen so gut wie nie, sagt Brandl. Der bayerische Unternehmer hält das für einen Fehler. “Hätte es bei der Attacke im Münchner Einkaufszentrum einen Zivilpolizisten im Feierabend oder einen Sicherheitsmitarbeiter mit Waffenschein gegeben, der seine Waffe auch in der Freizeit tragen darf, hätte man den Täter vielleicht stoppen können”, sagt Brandl.”

(Quelle: welt.de, mit eigenen Betonungen)

Zur Sinnhaftigkeit des Schusswaffeneinsatzes habe ich mich schon mehrfach geäußert, beispielsweise hier. Und das Gesagte gilt weiterhin: niemand will eine wahllose Volksbewaffnung, das wäre das Dümmste, was man machen kann. Warum jedoch selbst Polizisten privates Waffentragen untersagt wird, das läßt sich nur schwer nachvollziehen. Ähnliches gilt für berufliche Waffenträger wie Sicherheitsmitarbeitern. Die Restriktionen sind streng, gerade so, als ob man die Führkompetenz nach Dienstschluß ebenfalls im Waffenschrank läßt.

Doch selbst ein Waffenschein bringt einem auf einer öffentlichen Veranstaltung nichts, dafür bedarf es – wie zuvor völlig korrekt im Artikel erwähnt – einer Sondererlaubnis. Daß beim Public Viewing, der Kirmes oder dem Oktoberfest außer der Polizei jemand eine Waffe trägt: für eine deutsche Behörde oftmals unvorstellbar. Selbst wenn diese Person ein staatlich geprüfter, professionell ausgebildeter oder dienstlich erfahrerer Mensch ist – beispielsweise ein Polizist in seiner Freizeit.

Das Führverbot gilt im Übrigen auch für PTB-Waffen, im Volksmund “Gaspistole” genannt: wenn man so eine Waffe, gefüllt mit Pfefferpatronen, auf einer öffentlichen Veranstaltung führt, ist das ein nicht nur geringer Gesetzesverstoß. Führt man Pfefferspray in der Dose, dann … ist das in Ordnung. Skurril? Mindestens. Aber so ist es nun einmal:

“Die Bestimmungen des § 42 WaffG verbietet die Teilnahme an öffentlichen Vergnügungen, Volksfesten, Messen, Ausstellungen, Märkten oder ähnlichen öffentlichen Veranstaltungen mit Waffen i.S. des § 1 Abs. 2 WaffG. § 1 Abs. 2 WaffG zählt zu den Waffen tragbare Gegenstände, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs- und Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen. Das handelsübliche Pfefferspray unterliegt nicht den Bestimmungen des WaffG, so dass ein Verstoß gegen § 42 WaffG nicht in Betracht kommt.”

(Quelle: sicherheitsmelder.de)

Immerhin:

“Ergänzend ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das Mitführen von Pfefferspray bei Versammlungen oder auf dem Weg dorthin als gefährlicher Gegenstand i. d. § 2 Abs. 3 Versammlungsgesetz (VersG) gewertet werden kann. Dies würde in diesem Fall eine Straftat darstellen.”

(a.a.O.)

Der “böse” Hintergrund des Mitführens eines gefährlichen Gegenstands muss einem aber, so meine nichtjuristische Meinung aufgrund des folgenden Zitats, wohl erst einmal nachgewiesen werden:

“Die Polizei ist nur dann hinzuzuziehen, wenn Zweifel an der rechtlichen Zulässigkeit des Pfeffersprays bestehen (Zweckbestimmung, Prüfzeichen) oder der Verdacht gegeben ist, dass die Person beabsichtigt, das Pfefferspray auch gegen Menschen einzusetzen.

(a.a.O., mit eigener Betonung)

Wie gesagt: ohne juristische Expertise. Doch ergibt sich in meinen Augen daraus der Lösungsweg, wie immer bei Pfefferspray schlicht die Anwendung gegen bösartige Tiere als Mitführgrund anzugeben – und schon ist die Sache erledigt. Dafür ist Pfefferspray gedacht und das ist der Grund, aus dem man es führen sollte. (Zum Thema Pfefferspray bzw. Tierabwehrspray würden sich übrigens durchaus sogar Monographien lohnen, denn das ist ein gleichermaßen unterhaltsames wie spannendes Kapitel deutscher Sicherheitspolitik, doch das führt an dieser Stelle definitiv zu weit.)

Fassen wir zusammen:

– Sondergenehmigung für einen Sicherheitsdienstmitarbeiter auf einer öffentlichen Veranstaltung: sehr selten bis nie
– Sondergenehmigung für einen privaten Waffenträger (bspw. bedrohte Person) auf einer öffentlichen Veranstaltung: dito
– Sondergenehmigung zum Führen einer PTB-Waffe auf einer öffentlichen Veranstaltung: wahrscheinlich völlig unrealistisch
– Dienstliche Genehmigung zum Führen der dienstlich gelieferten Schusswaffe durch einen Polizisten: offenbar ebenfalls selten
– Dienstliche Genehmigung zum Führen der dienstlich gelieferten Schusswaffe durch einen Polizisten auf einer öffentlichen Veranstaltung: ebenfalls extrem selten

Freilich gilt:

Risiko auf einer öffentlichen Veranstaltung Opfer eines Terrorangriffs zu werden: extrem gering

Nur: wenn es dann mal zu einem Angriff kommt, gilt wohl dieser Satz …

“Unbewaffnet habe man gegen diese Art von Angreifer keine Chance. “Sobald der andere eine Pistole und fünf Meter Abstand hat, ist man immer der Verlierer.””

(Quelle: welt.de)

Sollten sich die (terroristischen) Vorfälle nun häufen, werden sich die Behörden früher oder später bewegen müssen. Und nochmals klar gesagt: NICHT in Richtung des privaten Waffenführens, sondern in Richtung des (ausser)dienstlichen bzw. (nicht)beruflichen Waffenführens. (Eine gefährdete Person sollte ohnehin so weit wie möglich öffentliche Veranstaltungen meiden, deshalb wird § 19 WaffG hier nicht weiter diskutiert.)

Denn wenn nicht einmal eine professionell ausgebildete Person wie ein Polizist eine Waffe führen darf – wer dann? Warum auf die schnellen Reaktionsmöglichkeiten eines (privat bewaffneten) Polizisten verzichten? Warum immer noch eine an vormoderne Zeiten erinnernde Geisteshaltung pflegen, die sich den “Bürger in Uniform” zwar auf die Fahnen schreibt, jedoch nur den Uniformträger als würdig erachtet? Wir müssen auch in diesen sensiblen Lebensbereichen ganz grundsätzlich – und nicht nur aus Erwägungen der Terrorabwehr – endlich zu so weit wie möglich sachorientierten Zuständen gelangen: die Polizistin bzw. der Polizist kann immer ein geeigneter Waffenträger sein. Wenn er oder sie sich dies in der Freizeit zutraut und diesbezüglich einen professionellen Vertrauensvorschuß verdient – was spricht dagegen? Die Logik, daß nur “im Dienst” mit “richtig und gut so” gleichzusetzen ist? Das kann man im 21. Jahrhundert nicht ernst meinen (und auch nicht ernst nehmen).

Wahrscheinlich gilt bei den Reaktionsoptionen auf schwerste Angriffe: besser “man hat” als “man hätte”. Wenn die Gegenwehr nur einmal erfolgreich ist: das Aufgeben gestriger Denkmodelle hätte sich schon gelohnt.

P.S.: Wer jetzt mit “dienstlich gelieferten” Argumenten wie “Zuwenig Schiesstraining, denn unser Dienstherr/Bundesland ist pleite”, “Da macht keine Versicherung mit” oder ähnlichen Floskeln kommt, dem biete ich im Einzelgespräch gern Lösungsvorschläge an. Denn je länger man sich mit der Materie beschäftigt, desto klarer wird: da geht noch was.