Constanze Kurz vom Chaos Computer Club (CCC) könnte “explodieren”? Willkommen im Club!

Man braucht nicht viele Worte, um das Problem zu beschreiben. Zwei kurze Absätze reichen:

“Constanze Kurz wirkte während der Sendung diverse Male, als würde sie gleich explodieren”

Es geht um Anne Wills Diskussionsrunde und – natürlich – PRISM, siehe spiegel.de. Und so eine Runde, das kann man aus der Beobachtung vorheriger Sendungen ruhig schlussfolgern, wird im weiteren Verlauf nicht selten immer schlimmer:

“Die Überwachungsprogramme der NSA vermischten sich plötzlich mit personalisierter Internetwerbung, mit Künasts Sorge vor dem Umgang mit ihren Kreditkartedaten. Plötzlich war da wieder dieses allgemeine Unbehagen gegenüber dem Digitalen, das hierzulande präzise und notwendige Diskussionen übers Konkrete so oft verhindert und verwässert. “Wir sind letztlich Dateien”, sagte Michael Stürmer, Historiker und heute Chefkorrespondent von “Welt” und “Welt am Sonntag”, das sei eine “tief beunruhigende Entwicklung” getrieben von Technik, von realen und imaginierten Gefahren. Es sei bislang nicht gelungen, diese Entwicklung “moralisch, rechtlich und politisch in den Griff zu bekommen”.”

(a.a.O.)

Ja, und warum ist es nicht gelungen? Da kann es im Land der Ideen (Digitaler Radiergummi, Realnamenpflicht fürs Internet, Netzsperren, …) nur eine Antwort geben: weil man nicht will! Weder die verantwortlichen Politikerinnen und Politiker noch große Teile der Bevölkerung kommen ihrer (Mit)Gestaltungspflicht ausreichend nach, sondern zeigen sich höchstens – aus Kalkül oder echter Überraschung – überrascht und – Achtung, Buzzwordalarm! – empört, wenn Ereignisse wie die PRISM-Enthüllung auftreten. Das ist ja auch einfacher, als sich auf eine stille Revolution einzulassen, die einen auch mal so richtig herausfordert. Aber so wird das nichts. Ich sehe deshalb einige meiner wesentlichen Thesen entsprechend bekräftigt:

– PRISM wirkt, weil das Abstrakte (= Digitalisierung, digitale Revolution, Digitaltechnik) nun mal sehr konkret wird. Damit wird deutlich, daß eine stille Revolution wie die Digitalisierung aufgrund des essentiellen Elements der Abstraktheit eine entsprechende Herausforderung ist. Erst das Konkrete weckt anscheinend viele Menschen auf. Daran wird es aber auch in Zukunft mangeln, da der Kern der Digitalisierung abstrakt bleiben wird. Es wird nicht für jede Entwicklung ein konkretes, plakatives Beispiel geben, welches Prozesse dermaßen transparent macht wie jetzt PRISM. Ergo: nur wer mit der Abstraktheit (0 und 1, Von-Neumann-Architektur, Prozessordesign, Hochsprachen, etc.) umgehen kann, kann Digitalisierung dauerhaft erfolgreich verstehen – und mitgestalten.

– Deutschland widmet sich der Digitalisierung inhaltlich nicht ausreichend. In einem Land, welches Hochtechnologie an sich problemlos entwickeln kann, ja sogar Weltmarktführer in so vielen Bereichen ist, kann es somit nicht am Können, sondern nur am Wollen liegen. Ahnungslose Politikdebatten zeigen dies auch hier wieder beeindruckend. Auch in diesem Fall hat sich nichts geändert. Inhaltliche Ahnungslosigkeit in Sachen Digitalisierung gilt anscheinend als Mittel der Wahl, um klarzumachen, daß man von nichts gewußt habe. Und die Bürger scheinen es zu akzeptieren: ist ja auch verflixt komplexes Zeug, diese Digitalisierung! Sowas aber auch! Da kann einen der Silicon-Valley-Nerd schon mal digital über den Tisch ziehen!

– Die Musik spielt längst woanders und ein Aufholen dieser Entwicklung wird von Tag zu Tag schwieriger. Ich sehe immer wieder zwei Kontinente, die in Sachen Digitalisierung (nicht nur “Internet” bzw. “WWW”!) weit vorne sind: Amerika (sprich: USA) und Asien (sprich: China, Japan, Südkorea). Dies bestätigt sich auch hier, auch in Anne Wills Runde. Was soll man schon machen, die Amis und die Chinesen haben eh alles im Griff. “Wir sind letztlich Dateien”.

Na, dann: gute Nacht.

P.S.: Es gibt gerade in der Wissenschaft zunehmend mehr exzellente Kolleginnen und Kollegen, die hier wunderbare Arbeit leisten, doch das reicht letztlich nicht, wenn man an den entscheidenden Stellen nicht will und das große Ganze nicht sieht. Die Gestaltung der Digitalisierung ist eine Aufgabe von nationalem Rang, aber diese Erkenntnis ist offenbar noch immer nicht überall angekommen. Dieser Appell geht deshalb nicht an Wissenschaft und Wirtschaft, sondern in Richtung Politik und Bevölkerung. Hier ist noch sehr viel Arbeit zu leisten!