Hoffnungslos abgehoben

In Ausgabe 1/2009 des Magazins ZEIT CAMPUS fiel mir ein Beitrag auf, der meines Erachtens eine Gegenrede verdient hat: der Beitrag “Hoffnungslos idealistisch” von Sandra Richter. Manuel Hartung, Chefredakteur von ZEIT CAMPUS, hielt meine Gegenrede für sinnvoll und bot eine Veröffentlichung in Ausgabe 2/2009 an, aus Platzgründen als Leserbrief und deshalb etwas editiert. Der Vollständigkeit halber gibt es hier nun die komplette Fassung:

Es ist nichts dagegen zu sagen, daß Kolleginnen und Kollegen ihre Leistungen darstellen und sich im akademischen Wettbewerb profilieren. Wettbewerb ist gut und dient letztlich allen. Wenn Frau Richter die „Nüchternheit“, die im Teaser ihres Beitrags erwähnt wird, aber als Nachteil sieht und nun versucht, die eigene unzeitgemäße Sichtweise samt überholtem Standesdenken als Idealismus zu verklären, dann ist das – vorsichtig gesprochen – sehr bedenklich. Professorinnen und Professoren sollten nämlich sehr wohl „akademische Dienstleister“ sein, und zwar im besten Sinne. Das Bild des alten Ordinarius paßt längst nicht mehr in diese Welt, auch wenn sich einige Kolleginnen und Kollegen noch nach Pathos und Elite zu sehnen scheinen. Eine Universität ist aber kein Hort professoraler Selbstverwirklichung, sondern eine leistungs- und wettbewerbsorientierte Forschungs- und Lehreinrichtung für alle, die dort tätig sind. Von den Studierenden wurde durch den Bologna-Prozeß eine grundlegende Neuorientierung verlangt. Es wird Zeit, daß auch die akademischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihr Rollenverständnis dementsprechend anpassen. Das US-amerikanische Modell erscheint hier als eine gute und solide Lösung: Das dreigliedrige System (Bachelor – Master – Ph.D.) sollte vollumfänglich auch für akademisches Personal gelten (Assistant Professor – Associate Professor – Full Professor). Die massiven Widerstände u.a. gegen die Juniorprofessur haben aber gezeigt, daß manche Kolleginnen und Kollegen für Zukunftsorientierung bisher nicht viel übrig hatten, sondern eher vergangenen Zeiten hinterhertrauern. Abgehobene elitäre Sehnsüchte sind aber beileibe kein Idealismus, sondern erscheinen genausowenig zukunftsorientiert wie Beschwerden über die nicht gerade mickrige W3-Besoldung, ganz besonders in Zeiten historischer Finanz- und Wirtschaftskrisen.