Identifying Iwan

Vor Jahren habe ich in der Psychologie einen Fall kennengelernt und bearbeitet, der seinerzeit für weltweite Beachtung sorgte: Den Fall Iwan Demjanjuk. Demjanjuk soll im Vernichtungslager Sobibor an der Ermordung zehntausender Menschen beteiligt gewesen sein. 1987/88 kam Demjanjuk in Jerusalem vor Gericht. Der Psychologe Willem Wagenaar war in diesem Fall „Expert Witness“ vor Gericht. Der Fall ist ein plakatives Beispiel für die Identifikationsproblematik durch Augenzeugen und ihre Berichte.

Schon das Gericht äußerte sich zu dieser Frage keineswegs wissenschaftlich objektiv: „Die Augenzeugen können in so einem Fall nicht irren.“ Wagenaar hatte also keine leichte Aufgabe – es ging hier auch um die problematische Beziehung zwischen Jurisdiktion und Psychologie. Wagenaar interessierte sich jedoch für die wissenschaftlichen Methoden, nicht für die Bestätigung oder Verwerfung der (juristischen) Schuldfrage. Er sorgte mit seinem Expertenurteil dafür, daß Demjanjuk nicht verurteilt wurde, da die Augenzeugen keine belastbaren Aussagen abgeben konnten. Mehr dazu gibt es hier: Identifying Ivan: A Case Study in Legal Psychology

Damit war dieser spannende und bewegende Fall für mich eigentlich erledigt. Wir haben ihn im Institut auseinandergenommen und unsere Schlüsse gezogen. Heute jedoch lief mir Demjanjuk wieder über den digitalen Weg:

“Spektakulärer Coup deutscher NS-Fahnder: Sie haben genug Material gegen den KZ-Aufseher Iwan Demjanjuk gesammelt, um seine Auslieferung aus den USA beantragen zu können. Der gebürtige Ukrainer soll an der Ermordung von fast dreißigtausend Menschen beteiligt gewesen sein.”

(aus: SPIEGEL ONLINE)

Es bleibt also – in vielerlei Hinsicht – spannend. Sollte es zu einem neuen Prozeß kommen, so ergeben sich aus psychologischer Sicht mit Sicherheit einige interessante Vergleichsmöglichkeiten zwischen dem Verfahren Ende der 80er in Jerusalem und dem neuen Verfahren.