DigiGes: weder Herz noch Hirn

Das Thema “Digitale Gesellschaft” sorgte in den vergangenen Tagen für einigen Wirbel, gemessen an der Relevanz dieser jungen Gruppierung, denn inhaltlich bewegt haben sie bisher noch nichts. Dafür sind sie jedoch schon gut im Gespräch, was zumindest zeigt, daß Klappern für die Beteiligten zum täglichen Handwerk gehört. Neben 3sat entschied sich auch der Freitag für eine Veröffentlichung meiner Eindrücke, die ich bisher gewonnen habe. Zusätzlich hatte ich die Gelegenheit, in persönlichen Gesprächen mit Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen über die DigiGes und diese Eindrücke zu sprechen – und teilweise überraschend deutliche und vielfältige Kritik am Verein zu hören, die den Machern der DigiGes meines Erachtens doch zu denken geben sollte. Die Meinung, die viele Userinnen und User von der DigiGes haben, ist oft nicht die beste – vorsichtig ausgedrückt.

Und dabei ging es in den wenigsten Fällen um die in der digitalen Szene nicht seltenen privaten Fehden und absurden Streitigkeiten, sondern weit überwiegend um Sachfragen. Doch selbst die privaten, auch mal hochemotionalen und irrationalen Komponenten haben hier durchaus ihre Berechtigung und ihren Wert: ein solches Projekt kann man nur sehr schwer gegen das Hirn, aber erst recht nicht gegen Hirn und Herz der Menschen durchsetzen, die man eigentlich ansprechen oder sogar vertreten will. Was den Menschen, mit denen ich gesprochen habe, besonders häufig mißfiel, war die Tatsache, daß hier wieder nur die üblichen Nerds am Start sind – ein breites Bündnis für Userinteressen im digitalen Raum sieht für viele wohl einfach ganz anders aus.

So wichtig und richtig viele der Ideen der DigiGes-Macher auch sein mögen: Ich komme aufgrund der zahlreichen Gespräche, Analysen und Informationen, die in den letzten Tagen die Runde machten, zu dem Ergebnis, daß die DigiGes unterm Strich in der aktuellen Form und mit der aktuellen Vorgehensweise nicht wirklich erfolgreich sein kann. Oder anders gesagt: ich sehe für einen solchen Verein mit diesen Akteuren schlicht keine Notwendigkeit.

Vielleicht sind die Akteure mit dieser Vereinsgründung sogar schon einen Schritt zu weit gegangen und es wurde erstmals von vielen digital aktiven Menschen jenseits der klassischen Nerdszene erkannt, daß gerade diese gesellschaftliche Gruppe alles andere als kompetent ist, was den Kampf für Userinteressen angeht. Sascha Lobo, Boulevardblogger und Bruder im Geiste der DigiGes-Nerds, hat diese Erkenntnis in seinem selbstkritischen Text “Wer nicht meiner Meinung ist, muss dumm sein” durchblicken lassen. Sollte dies nun ein breites Publikum entsprechend goutieren, so hätte das Projekt doch einen ersten Erfolg erzielt. Vielleicht nicht gerade intendiert, aber immerhin wäre es ein Erfolg.

Für die Sache. Nicht für den Verein.