Sehr gut, sehr wahr … und mal wieder sehr traurig: die deutsche Angst vorm neuem Denken

Als ich folgende Sätze las, wurde ich neugierig:

“Marcus Reif ist Personalchef der Unternehmensberatung Kienbaum Consultants International. Er sieht das deutsche Bildungssystem kritisch – aber auch die Art, wie viele Unternehmen ihre Mitarbeiter auswählen.”

(SZ)

Als ich folgende Passage las, wurde ich aufmerksam:

Reif: “Ein Uli Hoeneß zum Beispiel bringt einen Antrieb mit, den Sie nicht bei allen Kandidaten finden. Er hat Außergewöhnliches geleistet.”

SZ: “Und außergewöhnlich gezockt und betrogen. Steve Jobs war auch nicht für seine Freundlichkeit bekannt. Sind solche Genies nicht ein Risiko für den Betrieb und den Personaler? Wenn Ihr Kandidat das soziale Gefüge sprengt oder einen öffentlichen Skandal verursacht, fällt das auch auf Sie persönlich zurück.”

Reif: “Absolut. Das muss man in Kauf nehmen. Wir Deutschen sind großgeworden durch das Minimieren von Risiko – im Maschinenbau, der klassischen Industrie, und auch in der Atomenergie. Aus dem gleichen Grund waren wir aber auch immer sehr schlecht darin, Geschäftsmodelle zu generieren. Wenn wir künftig nicht den Mut zum Unkonventionellen haben, wird die deutsche Wirtschaft ihren Stellenwert in der Welt nicht halten. Diese Menschen sind ein Risiko, weil sie versuchen, Dinge anders zu machen als vorher. Das kann schiefgehen, wenn es vorher einigermaßen lief. Wenn Sie aber erkennen, dass Ihr Pfad irgendwann endet, zum Beispiel in der Dieseltechnologie, und Sie haben keinen Michael Dell, Mark Zuckerberg, Uli Hoeneß und manch anderen an Bord, die Ihnen helfen, den Diesel 2.0 zu erfinden, dann war es das.

(SZ, mit eigener Betonung)

Und als ich seine Begründung für diese – aus meiner Sicht völlig korrekt beschriebene – typisch deutsche Misere las, konnte ich nur zustimmen:

“Es hat sehr viel mit der Kultur zu tun. Wer in Deutschland einen Fehler macht, ist über Jahre hinweg verbrannt. Mit einem Gescheiterten möchte keiner zu tun haben. Die Perspektive, dass ich aus Fehlern lernen kann, gibt es viel zu wenig. Das müssen wir ändern, ohne den Leuten das Gefühl zu geben, sie hätten sich jahrelang völlig falsch verhalten.”

Und ich teile seine Hoffnung:

“Ich sehe die Generationen Y und Z als Chance. Da kommen Menschen, die wollen über ihre Arbeitszeit und ihren Arbeitsort mitbestimmen, aber sie wollen auch über Inhalte und Strategie mitreden. Das hätte meine Generation sich nicht getraut. Man kann Führungskräften zeigen, dass sich da draußen etwas ändert. Darauf müssen sie aktiv reagieren, um in Zukunft mit dem ganzen Unternehmen bessere Arbeit zu leisten.”

Wichtig ist nur anzumerken und klar zu betonen: es eilt! Je schneller der Wandel kommt, desto besser. Streng genommen ist er eh längst überfällig. Die deutsche Gesellschaft steht sich oftmals unnötigerweise selbst im Weg. Bei der Digitalisierung ist dies fast schon als klassisch zu bezeichnen. Leider.

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Warum nur?

“Warum nur halten es manche so schwer aus, dass ihre eigenen Gedankengebäude und ihre offenbar für unangreifbar gehaltenen Überzeugungen angezweifelt werden? Warum streitet man nicht, warum diskutiert man nicht, warum macht man sich nicht daran, das Verachtete zu widerlegen, anstatt vom hohen Ross aus Geringschätzung zu zeigen? Es zu negieren und voreilig aus dem demokratischen Diskursfeld zu entfernen, ist ein Armutszeugnis.”

(NZZ)

Ja, warum nur? Mangelnde Souveränität? Schwäche? Dummheit? Ignoranz? Sturheit? Es gibt viele und sicher noch etliche weitere Gründe. Keiner davon dürfte jedoch ehrenvoll, sondern jeder einzelne – in der Tat – kein gutes Zeichen sein.

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Die Löwenkinder des IS: eine besondere Analyse über eine besondere sicherheitspolitische Herausforderung

Nicht selten gelangen Anfragen “von außen” auf meinen Schreibtisch, beispielsweise wenn es um die Betreuung einer Abschlußarbeit geht. Sofern es inhaltlich und organisatorisch möglich ist, d.h. das Thema paßt und ich als externer Betreuer zugelassen werden kann, betreue ich diese Arbeiten gern. Der Idealfall ist dann natürlich, daß die Arbeiten inhaltlich gut sind, denn dann kann man von einer Win-Win-Situation sprechen: die Absolventin/der Absolvent bekommt ihren/seinen Wunschgutachter und ich bekomme eine gute Arbeit zu lesen.

Ein solcher Fall war jüngst die Bachelor-Arbeit von Charlotte Nieße (Uni Osnabrück), in der sie sich mit den “Löwenkindern” des IS auseinandersetzte. Dieses Thema erschien mir so relevant, daß ich nach Absprache mit Charlotte dazu einen Artikel für den FOCUS schrieb, in dem einige mir besonders relevant erscheinende Aspekte ausführlich dargestellt werden, um eine größere Aufmerksamkeit für dieses Thema, sprich: ihre Analyse-Idee zu erreichen. Wer nun Fragen dazu hat, sollte sich deshalb direkt an Charlotte wenden: charlotte.niesse @ ntfev.org

Apropos Idealfall: Charlottes Leistungen waren nicht nur für mich glasklar erkennbar. In Kürze beginnt sie ein Masterstudium in Cambridge. An guten Ideen wird es ihr nicht mangeln, soviel steht fest.

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Gedanken zu G20 bei Maischberger: Viele Emotionen, wenige Fakten

Die letzte Runde bei Sandra Maischberger verlief recht hitzig: CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach verließ das Studio, weil ihm Jutta Ditfuhrth übergriffig erschien. Das sorgte für einigen Medienwirbel, soll jedoch an dieser Stelle nicht weiter beleuchtet werden. Vielmehr geht es um die Inhalte, weshalb hier einige Gedanken zu dieser Sendung, ihren Gästen und deren Aussagen aus Sicht eines Sicherheitsforschers dargestellt werden sollen:

– Jutta Ditfurth irrt, wenn sie Gegengewalt (gegen Polizeiaktionen – sie nannte es “Zorn”) auch nur im Ansatz toleriert oder gar gutheißt. Es gibt kein Recht auf Gegengewalt gegen legitimes polizeiliches Handeln. Selbst wenn die Polizei rechtswidrig provozieren sollte, legitimiert das niemanden zu Gegengewalt. Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki sagte dazu völlig korrekt: “Angeblich habe die Polizei provoziert, sodass die andere Seite fast in Notwehr Gewalt ausüben musste. Ich finde es respektlos gegenüber unserem Rechtsstaat, so zu argumentieren.” Jedem steht gegenüber jeder polizeilichen Handlung der Rechtsweg frei, sprich: Strafantrag, Klage, anwaltliche Unterstützung usw. Aber zu sagen, die Polizei hat durch ihr Auftreten und ihr Handeln die anderen quasi zur Gegengewalt getrieben, ist sowohl rechtlich als auch moralisch völliger Unsinn. Die Zeiten von “Auge um Auge” sind zum Glück längst vorbei. Die wenigen Ausnahmen, die Notwehr bzw. Nothilfe rechtfertigen, waren erkennbar nicht gemeint, weshalb sie hier auch nicht weiter erörtert werden sollen.

– Ja, linksradikale Camps sind oft – wahrscheinlich sogar: immer – auch Rückzugsorte für die Vorbereitung von Straftaten. Das Milieu ist behördlich mehr als ausreichend bekannt. Deshalb ist es aus polizeilicher wie auch aus Sicherheitsforschungssicht nur logisch, diese Camps so weit wie nur möglich zu unterbinden. Es gibt ausreichend Erfahrung aus der jüngeren bis mittleren Vergangenheit, um hier polizeilich tätig zu werden. Es gibt zudem auch keinen Rechtsanspruch für DemonstrantInnen, einen Schlafplatz auf öffentlichem Grund zu bekommen. Das Demonstrationsrecht beinhaltet kein Beherbergungsrecht.

– Daß Bosbach und Ditfurth immer wieder aneinandergerieten, ist nicht überraschend: die larmoyante Selbstgerechtigkeit von Frau Ditfurth hatte wenig bis gar nichts mit einer vernunftorientierten Diskussion zu tun. Wertend? Subjektiv? Möglich – aber irrelevant. Denn selbst wenn man nun meint, daß dies lediglich eine Stilfrage ist, so ist der Aspekt der Debattenkultur insgesamt keineswegs unbedeutend: gerade die selbstgerechte Art vieler “Linker” verhindert eine vernunftorientierte Fehlerkultur, in der auch mal zugegeben werden kann, daß man etwas falsch gemacht hat. Wer immer und ausnahmslos von sich behauptet, alles richtig zu machen, wer meint, die moralische Überlegenheit quasi gepachtet zu haben, der kann gar nicht anders als irgendwann völlig unglaubwürdig zu erscheinen. “Links” ist eben nicht pauschal moralisch überlegen, “besser” oder perfekt. Extremisten sind Extremisten, da hatten in der Talkshow sowohl Frau Barley als auch der Vertreter der Hamburger Polizei recht.

– Selbstverständlich gibt es linke Krawalltouristen aus dem Ausland. Für viele dieser Personen ist Gewalt gegen die Polizei völlig anders definiert als hierzulande. Die deutschen Polizisten sahen auch deshalb “schlecht” aus (im Sinne von: im Nachteil gegenüber vielen Gewalttätern), weil die Straftaten begehenden Akteure aus bspw. Frankreich, Italien oder Spanien ganz andere Militanz und damit auch polizeiliche Gegenwehr gewohnt sind. So wird in vielen europäischen Ländern definitiv früher geschossen, beispielsweise in der Schweiz: “Anders als ihre deutschen Kollegen dürfen die Schweizer Polizisten bei ihren Einsätzen auch Gummischrot als Distanzmittel einsetzen. Dieser ist (…) abschreckender und wesentlich flexibler einsetzbar als Wasserwerfer und Reizgas.” (NZZ) Was die Krawallmacher aus dem Ausland angeht, dürfte oftmals gelten: viel mehr (Militanz-)Freiraum wird auch viel stärker genutzt. Plünderungen, Betonplatten, die geworfen werden, Molotowcocktails … Grenzen werden hier sicher weiter gezogen als auf Seiten deutscher Randalierer. Schluß war in Hamburg bekanntlich erst, als das SEK auftrat.

– Jutta Ditfurth irrte auch beim Aspekt legitimer Gewalt zur gesellschaftlichen Veränderung: auch diese gibt es in diesem Kontext nicht. Wenn sie als Beispiel die Anti-Atom-Bewegung aufführt, liegt sie falsch. Dieser Weg ist keineswegs der einzige, definitiv nicht der beste und wahrscheinlich noch nicht einmal ein entscheidender Weg in Richtung eines gesellschaftlichen Umdenkens. Um weitreichenden gesellschaftlichen Unmut zu artikulieren und PolitikerInnen unter Druck zu setzen, reicht eine friedliche Demo völlig aus, beispielsweise Anfang der 2000er Jahre in Berlin gegen den Irakkrieg. Bei dieser Demo protestierten über 500.000 Menschen und sie setzte zusammen mit zahlreichen anderen Demos auf der ganzen Welt ein klares Signal gegen den Irakkrieg. Deutschland war sich einig: hieran beteiligt man sich nicht. Und dies wurde auch so durchgehalten, siehe Gerhard Schröders “Nein” zum Irakkrieg. Ob die Demo dafür entscheidend war oder nicht: es war ein so klares, eindeutiges und starkes Signal, daß die deutsche Politik sich schwergetan hätte, hier anders zu entscheiden. Die Haltung der Bevölkerung war eindeutig, und die Demo bekräftigte dies. Diese Bekräftigung muß immer aus der Mitte der Bevölkerung kommen, nicht von den radikalen Rändern, denn nur so ist sie legitim. Die o.a. Demo war im Übrigen für mich das Signal: massiver gewaltfreier Protest funktioniert. Wer meint, nur eine gewaltsame Demo kann etwas verändern, übersieht Demos wie diese (und die Wirkungen, die von ihnen ausgehen). Diese Demo war zumindest als Zeichen klar und deutlich – sie erregte sicherlich genau so viel Aufmerksamkeit wie eine kleinere, aber krawalligere Demo.

– Das Gerede vom Polizeistaat ist natürlich blanker Unsinn und soll deshalb an dieser Stelle nicht weiter kommentiert werden, bis auf diesen einen Tipp: wer dieses Wort in den Mund nimmt, sollte sich mal tatsächliche Polizeistaaten anschauen und dann vergleichen.

– Schlecht für alle, die linke Gewalt schönreden: es gibt diesmal außergewöhnlich viele Video- und Foto- sowie Zeugenbeweise hinsichtlich extremistischer Straftaten. Selbstverständlich dürfte es auch sehr viele Beweise in Sachen ungerechtfertigter Polizeigewalt geben, doch diese dokumentieren kein systematisches Versagen, sondern einzelne Beamtinnen und Beamte, die Grenzen überschreiten. Systematisches Versagen war weder zu beobachten noch mehrheitlich in den Medien – im Rahmen unserer sehr weitreichenden Analyse in unserer Abteilung – zu vernehmen. Zudem gilt der Tweet von Christoph Kappes: “”Polizeigewalt” ist übrigens ein Kampfbegriff, weil Gewalt das typische Polizeihandeln ist (UZwG). Entscheidend vielmehr Rechtmässigkeit.”

– Potential für den Unsinnssatz der Woche hat freilich “Links und Gewalt schließen sich aus”. Das ist sowohl historisch als auch gegenwartsbezogen völliger Unfug.

– Im Übrigen gilt für Demos wie “Welcome to hell”: Wenn nachher Gewalt auftritt, hatte die Polizei vorher ja Recht mit ihrer Vermutung. Szenekenntnis gehört zur Arbeit der Beamten hinzu – und wird beispielsweise im Bereich des Fussballs auch nicht bestritten. Warum sollte es hier dann anders sein?

– Die Aufklärung von Bosbach in Sachen Abgrenzung (friedlicher von unfriedlichen Demoteilnehmern) war im Übrigen sehr hilfreich. Rechtliche Aufklärung ist hier besonders wichtig, sie klärt viele Mythen.

– Jan van Aken widersprach sich selbst: wenn er schon Wert auf das “Dabeisein” legt, negiert er nicht nur den wissenschaftlich anerkannten, hilfreichen und seit ewigen Zeiten genutzten unbelasteten Blick von außen. Er sollte dann vor allem auch keinen inhaltlichen Unsinn reden. So ging es Katarina Barley beispielsweise nicht um Gleichsetzung, wenn sie die verschiedenen Extremismen als bekämpfenswert erwähnt, sondern um gleiche Ablehnung aller Extremismen. Das ist weder verwerflich noch falsch, sondern schlicht völlig richtig. Wer betont, daß er “besseres” Wissen hat, muß dann auch richtig liegen – oder diplomatischer argumentieren.

Daß Wolfgang Bosbach und Jutta Ditfurth in diesem Leben wohl keine Freunde mehr werden: nun denn … Insgesamt hätte der Runde aber sehr gut getan, deutlich weniger Emotionen und deutlich mehr Fakten zu präsentieren. Das wäre für alle Seiten gewinnbringender gewesen. Doch daß “links” immer noch einen Bonus bei bestimmten Parteien – und wohl auch in weiten Teilen der Bevölkerung – haben dürfte, das sehe ich persönlich durchaus als Problem. Denn, und da stimme ich Katarina Barley wie gesagt deutlich zu: Extremismus ist Extremismus. Die ideologische Ausrichtung ist egal. Das ist kein Gleichsetzen von “links” mit “rechts”, sondern ein Plädoyer für eine wehrhafte Demokratie.

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Nicht nur wegen G20: Wissenschaft ist nicht Politik und WissenschaftlerInnen sollten keine AktivistInnen sein

Nicht wenige Kolleginnen und Kollegen betrachten ihr wissenschaftliches Wirken als Teil einer größeren Mission. Sie sind beispielsweise „Bewegungsforscher“ – aber nicht nur, weil sie soziale Bewegungen aus theoretischer oder methodischer Sicht interessieren, sondern weil sie (in diesen Fällen oftmals sehr weit links stehende) Sozialpolitik machen wollen. Ich halte das nicht nur für falsch, sondern für schädlich.

Wenn mich ein Journalist anruft, geschieht das aufgrund meiner wissenschaftlichen Aktivitäten. Diese Rolle für ein politisches Statement, für eine (partei)politische Positionierung jenseits von Demokratie und Menschenrechten zu mißbrauchen, das halte ich für grundfalsch. Die Menschen nehmen uns, wenn wir als WissenschaftlerInnen sprechen, auch als WissenschaftlerInnen wahr – vor allem dann, wenn die Medienpräsenz entsprechend umfangreich ist. Dann ist man beispielsweise in meinem Falle „der Internetsoziologe“. Diesen Status dann mit einer politischen Botschaft rechter oder linker Couleur zu verbinden, ist meines Erachtens ein absolutes No-Go. ExpertInnen bzw. der ExpertInnenstatus sind in den letzten Jahren ohnehin schon massiv unter Druck geraten. (Stichworte wären hier u.a. Fake News und Lügenpresse.) Dagegen kann man in vielen Fällen als Einzelperson wenig tun, denn die großen Mechanismen sind nicht immer individuell beeinflußbar, geschweige denn kontrollierbar. Aber man muß auch nicht noch Öl ins Feuer gießen. Denn was man individuell immer tun kann, ist: wissenschaftlich bleiben. Wer seine wissenschaftlichen Aussagen mit politischen Ideen vermischt, läuft immer Gefahr, das Wissenschaftliche zu verfälschen. Wer politisch aktiv sein will, muß dies sauber vom wissenschaftlichen Arbeiten trennen – oder besser noch: aktive Politik einfach sein lassen.

Ich persönlich kann und will nur „entweder – oder“. Meine Entscheidung war für die Wissenschaft, d.h. Forschung und Lehre auf dem Boden des Grundgesetzes, eintretend für Demokratie und Menschenrechte im Falle ihrer Gefährdung. Proaktive politische Aktivitäten, die darüber hinausgehen, wurden und werden unterlassen. Daß ich beispielsweise Vorsitzender des Netzwerks Terrorismusforschung bin, ändert daran nichts: auch hier sind wir gemäß Satzung und persönlicher Einstellung pro Demokratie – und gegen alle (!) Extremismen, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung überwinden wollen. Ob wir oder unsere Mitglieder CDU-, SPD-, Grünen- oder andere Parteimitglieder oder -anhängerInnen sind, ist uns egal – solange es demokratisch bleibt. Das ist das Maximum an Politik in der Wissenschaft, das ich vertreten kann. KollegInnen, die jedoch deutlich erkennbar „Politik machen“, dies aber nicht entsprechend vom wissenschaftlichen Arbeiten trennen, dann ich leider nur sehr eingeschränkt ernstnehmen. Politisierung schadet meines Erachtens der Wissenschaft. Und zwar sehr deutlich. Manchmal muß man sich eben für eine Rolle entscheiden, so schwer es auch fallen mag.

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Neues Buchprojekt: Internetsoziologie – Theorie und Methodik einer neuen Wissenschaft

Es hat lange gedauert, aber nun wurde tatsächlich ein Traum wahr: die eigene Interpretation einer neuen Wissenschaft wird als Buch erscheinen. Zum ersten Mal, auf 500 Seiten, ganzheitlich von Geschichte über Theorie und Methodik bis Praxis. Der Weg zu diesem Buch dauerte satte zehn Jahre, weshalb mein erster Gedanke nach der Unterschrift unter dem erfreulich schnell ausgehandelten Vertrag mit dem renommierten Wissenschaftsverlag De Gruyter ungefähr so aussah:

Streng genommen ist meine “Idee Internetsoziologie” sogar noch älter: sie wird geschlagene 20 Jahre alt, wenn das Buch in 2019 auf den Markt kommen wird. Denn bereits 1999 fing alles mit dieser Website an. Damals bestand die Idee zwar nur aus kaum mehr als dem Domainnamen und der Kernüberlegung dahinter, aber das waren tatsächlich die zarten Anfänge. Nach dem Erscheinen meines ersten Buches „Digitale Identitäten“ gewann die Idee dann an Fahrt, vor allem aufgrund des positiven Zuspruches von Menschen wie Gerburg Treusch-Dieter, Bernd Ternes, Joachim Sauter und Udo di Fabio. Da die dann folgenden zehn Jahre teilweise aber brutal harter wissenschaftlicher Arbeitsalltag waren – ich erinnere mich an eine Aussage eines Kollegen, der in einem Interview sogar einmal meinte, daß die letzten zehn Jahre die schlimmsten Jahre im Wissenschaftsbetrieb seit Existenz des Wissenschaftsbetriebes (!) waren -, bin ich nun natürlich umso glücklicher, daß meine Rechnung aufging. Hätte ja auch alles schiefgehen, versanden, scheitern können … Hätte, hätte – aber das ist es nicht. Ganz im Gegenteil: die völlig neue Disziplin wird von mir exemplarisch ausgestaltet, ich schlage somit eine Interpretationsmöglichkeit vor, die dazu einlädt, eigene Ideen beizusteuern und das ganze Projekt individuell weiterzudenken. Das ist der pure Wahnsinn, die pure Freude!

Niklas Luhmann sagte bekanntlich mal: “Theorie der Gesellschaft, Laufzeit: 30 Jahre, Kosten: keine”. Für mich gilt dann: Theorie und Methodik der Digitalisierung unserer Gesellschaft. Laufzeit bisher: 20 Jahre. Kosten: exorbitant. Bei diesem Zwischenfazit geht einem so viel durch den Kopf … dieses Buch ist letztlich weit mehr als nur eine weitere Monographie. Es ist ein überlebenswichtiger Zwischenschritt, ein wissenschaftliches Statement enormen Ausmaßes, ein Sieg gegen die Rahmenbedingungen des gegenwärtigen deutschen Wissenschaftsbetriebes, ein Zeichen für alle jungen Kolleginnen und Kollegen, die etwas wagen möchten, ein persönlicher Riesenschritt nach vorne … es ist so viel.

Es ist alles.

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