Ein “How to deal with” zum Unsinn des Postfaktischen

Die Wissenschaft hat es dieser Tage nicht leicht. Da fragen sich Kolleginnen und Kollegen zu Recht, was das Gerede vom “postfaktischen Zeitalter” für Konsequenzen für das Fundament unserer Lebenswelt – die Wissenschaft – hat und wie man dem begegnen kann. Ich kann vor allem die Aussagen des Kollegen Mojib Latif unterstützen:

“Immer mehr Menschen informieren sich im Internet. Dort stehen Meinung, Gerücht und wissenschaftliches Ergebnis ununterscheidbar nebeneinander. Es fehlt an Orientierung und Qualitätskriterien. Die Aufmerksamkeit wird eher dem zuteil, der am schrillsten auftritt. Da kann (und will!) Wissenschaft nicht mithalten.”

Sehr hilfreich wäre es, wenn die Schreihälse schlicht und einfach keine Claqueure mehr hätten, sprich: wenn das Geschreie keine Zustimmung mehr fände. Stattdessen wäre es für diese Unterstützer sicherlich zielführender, selbst zu denken und sich eine eigene Meinung zu bilden. Das würde zuerst zeigen, daß die Schreihälse mit Sicherheit am wenigsten Unterstützung verdienen.

Gut ist aber auch Latifs Haltung gegenüber den “Postfaktischen”:

“Ich ignoriere diese Leute. Reagierte ich auf diese abstrusen Behauptungen, würde ich ihnen nur noch mehr Aufmerksamkeit verschaffen.”

Und auch die Antwort auf die Frage, wie die Wissenschaft reagieren sollte, ist absolut empfehlenswert:

“Sie sollte der Allgemeinheit selbst die besten Informationen zur Verfügung stellen, und zwar ansprechend und vor allem verständlich.”

Daran wird hier gearbeitet. Und zwar – ganz konkret – so, daß mein Team und ich versuchen, die Unterstützer zu erreichen und zu überzeugen – nicht die Schreihälse. Wir laden zum Denken ein und setzen auf das Empowerment der bzw. des Einzelnen. Das ist unser Ziel. Jedes Mal. Früher, heute und in Zukunft.

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Die Rache der von links Belehrten: … und die AfD?

Nach meinem ersten Beitrag zum Thema “von links Belehrte” kamen erwartungsgemäß einige Fragen von Leserinnen und Lesern. Die wahrscheinlich wichtigste Frage war: Ist das bei uns auch so? Soll heißen: droht uns dasselbe Schicksal auch in Deutschland – nur mit der AfD statt mit Trump? Abgesehen von der Tatsache, daß die AfD schon in mehreren Parlamenten sitzt und somit bereits einige Erfolge verzeichnen kann, würde ich aus medienanalytischer Sicht sagen: ja, die Wut der “von links Belehrten” wird auch bei uns (weiterhin) eine Rolle spielen. Dazu einige Beispiele aus den Medien:

“Kretschmann plädierte dafür, wie schon in einem umstrittenen Gastbeitrag vor einigen Wochen, die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner zu überdenken. “Wir dürfen es mit der Political Correctness nicht übertreiben”, sagte er. Auch Menschen, “die ganz anders denken”, verdienten “Respekt und Klarheit”.

(Quelle: Spiegel Online)

Die Volksparteien hätten sich von den kleinen Leuten entfremdet. „Es ist eine Mischung aus politischer Korrektheit und dem Versuch, Minderheiten einzubinden, die man als benachteiligt sieht.“ Eine falsch verstandene Etikette verhindere, dass bestimmte Dinge angesprochen werden könnten. Als er vor vier Jahren antisemitische Schimpftiraden von Nordafrikanern anprangern wollte, pfiffen ihn seine Fraktionskollegen zurück. Die Gefahr, in die ausländerfeindliche Ecke gedrängt zu werden, war ihnen zu groß. Es mag auch persönliche Kränkungen gegeben haben. Wenig später jedenfalls war Bernhard Ochs kein Parteimitglied mehr. Nach vier Jahrzehnten in der SPD.”

(Quelle: FAZ)

“Im Umgang mit dem Rechtspopulismus haben sich weite Teile der Scheinheiligen in eine manichäische Weltanschauung geflüchtet, eine moralische Zweiklassengesellschaft, in der es die progressiven Anständigen gibt und die zurückgebliebenen Bösewichter. (…) Aus dieser Frontstellung gibt es kein Entweichen. Mit dem „more of the same“ werden die Gräben tiefer. (…) Trump will wie die AfD keine ökonomisch egalitäre Gesellschaft, sondern eine, in der die Ansichten auch derjenigen gehört und respektiert werden, die von den Diskurswächtern ausgeschlossen wurden. Zu glauben, der AfD sei mit einer noch puristischeren Form von politischer Korrektheit beizukommen, ist die im Augenblick gängigste Form des „more of the same“. (…) Als teutonisches Gegenmodell zu Dr. House darf Witta Pohl in den „Drombuschs“ gelten, die gegen die Widrigkeiten des Alltags Integrität und Selbsterhöhung setzte. Die Drombuschs sprachen wie Teilnehmer eines Kirchentagspodiums. In dieser Serie aus den 80er-Jahren spricht das Biedermeier der Bonner Republik. Seitdem hat sich die Welt verändert, aber Teile der Elite haben noch nicht erkannt, dass ihre Moral der Überbau eines Lebens in einer geschützten Freiheitsnische war, die die Amerikaner mit ihren Truppen militärisch absicherten. Die Dinge werden anders, und wir in ihnen. Das ist auch eine Chance, wenn wir dazulernen und die Abgehängten anhören und ernst nehmen, ohne sie abzuwerten.

(Quelle: Welt; jeweils mit eigenen Betonungen)

Da der Mechanismus der Belehrung meines Erachtens nach (1) recht stabil zu sein scheint, kann also die Antwort auf die Frage nach der AfD heute nur lauten: ja, die AfD hat weiterhin große Chancen auf einen nicht nur knappen Einzug in den Bundestag 2017, und das hat eben nicht nur etwas mit Hass, Stereotypen oder Globalisierungsangst zu tun, sondern nicht gerade wenig mit den o.a. Beispielen, sprich: der Belehrung von links. (Siehe dazu auch mein Interview in der Basler Zeitung.)

(1) Auf Basis der medienanalytischen Erkenntnisse im Onlinebereich seit 2012 – Details jederzeit gern auf Anfrage

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Donald Trump: die Rache der von links Belehrten

Schaut man sich die Zahlen an, stellt man fest: ja, es gibt tatsächlich die ungebildeten Trump-Wähler, es gibt auch die Hasswähler und es gibt auch die Clinton-Verächter. Aber es gibt neben all diesen Gruppen mindestens noch eine weitere und sicher nicht gerade kleine Gruppe, ohne die Trump nie den Erfolg gehabt hätte, den er jetzt feiert: nennen wir sie hier mal “die von links Belehrten”. Was das heißt? Ganz einfach: die folgenden Zitate illustrieren mein persönliches medienanalytisches Fazit dieser US-Präsidenten-Wahl, welches den “von links Belehrten” eine große Relevanz zuspricht …

“Die Ungleichzeitigkeit des sozialen Fortschritts hat ihren Preis. Schwule können in 50 Bundesstaaten heiraten, aber das soziale Überleben der Arbeiter hängt am seidenen Faden. Der Spätkapitalismus nährt überbordende Wut. Weiße Arbeiter erleben die Diskurse der intellektuellen Eliten wie eine Demütigung. Dass die tonangebenden intellektuellen Minderheiten sich über sie lustig machen, sie hinterwäldlerisch finden, bespielt eine Klaviatur von Gefühlen, auf der Trump spielt wie kein zweiter. Die Neue Linke betrachtet die Arbeiterklasse nicht als ihren Verbündeten. Unfassbare Ironie der Zeitgeschichte! Die Absurdität gipfelt darin, dass der um sein soziales Überleben kämpfende weiße Arbeiter sich von Studierenden der Ivy-League-Universitäten seine Privilegien unter die Nase reiben lässt. Das geht nicht gut aus.

(Quelle: Kursbuch)

“Fassungslosigkeit, Entsetzen, bisweilen eine Spur Verachtung für die Wähler Trumps. „White Trash“, so nennt man sie tatsächlich, was wohl heute niemand mehr über rassische Minoritäten in den Vereinigten Staaten zu sagen wagte. Feldenkirchen benannte dabei das Problem der amerikanischen Politik ziemlich genau: Ihre „Unfähigkeit zum Dialog“. Allerdings kam niemand auf die Idee, ob diese Dialogunfähigkeit wirklich nur etwas mit Donald Trump zu tun. Oder nicht doch auch etwas mit der eigenen Arroganz.

(Quelle: FAZ)

“Und für einige Tage wenigstens sollten wir uns Beschämung und auch die Frage nicht ersparen, mit welcher demokratischen Berechtigung wir denn eigentlich glaubten, diese Welt unserer eigenen Werte jenen Mitbürgern auferlegen zu dürfen, die wir im besten Fall nicht ernst nehmen. Und gemeinhin als „white trash“ verachten (obwohl wir natürlich als politisch korrekte Aufklärer solche Worte nie in den Mund – oder unsere schreibenden Hände – nähmen).

(Quelle: Welt)

“So, wie es bei Buddhastatuen Körperhaltungen gibt, die ausdrücken, dass der Erleuchtete gerade etwas lehrt, wird man sich an Barack Obama erinnern als ethischen Erzieher, der mahnt: Bekehrt euch zur Krankenhilfe nach dem Solidarprinzip, zu nachhaltiger Energie als Klimaschutzmaßnahme, zur Achtung der Würde auch von Gefangenen, zur internationalen Politik des Ausgleichs anstelle von Vorherrschaftsarroganz, zu Kosmopolitismus, Antirassismus, Antisexismus, wie ihn die Gebildeten und Toleranten in New York schon lange lieben und leben. (…) Immer eifriger warf sich die Mitte-Links-Crew in die Erziehungs- statt in die langweiligere, an Zahlen und Verfahren orientierte Aufklärungsarbeit. (…) Elitär und salonlinks sollte nach dem Willen der in den armen Bernie Sanders Verliebten jede und jeder sein, die hier skeptisch blieben und lieber hofften, dass Hillary Clinton der Versuchung widerstehen würde, ihre aus Torschlusspanik resultierende technokratische Gerissenheit gegen ein peinliches „Die große Schwester hat euch lieb“-Streichelzoo-Theater auszutauschen, in das sie sich schließlich fallen ließ und das sie zur Niederlage geführt hat.”

(Quelle: FAZ; alle Zitate mit eigenen Betonungen)

Die “Belehrung von links” fällt mir bei meiner Medienanalyse seit Jahren auf. Es ist ein auch in Deutschland immer wieder vorzufindendes Handlungsmuster, welches jedoch zumindest in der jüngeren Vergangenheit offensichtlich nicht mehr so gut funktionierte (siehe AfD-Erfolge). Wenn die politische Linke wieder erfolgreich sein will, muss sie, so mein Eindruck, zuerst mit der oberlehrerhaften Belehrung der Andersdenkenden aufhören. Da hilft es auch nicht, in vielen Fällen objektiv moralisch/ethisch richtig zu liegen. Solange das Oberlehrerhafte nicht eingestellt wird, dürfen sich beispielsweise Grüne und Linke nicht über ihre Wahlverluste beschweren. Denn es gilt, was Karl Popper sagte: “Die Hybris, die uns versuchen läßt, das Himmelreich auf Erden zu verwirklichen, verführt uns dazu, unsere gute Erde in eine Hölle zu verwandeln.”

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