Reinhold Beckmann fragt – hier ist die Antwort

“Wie kann man das Verhältnis Mensch – Maschine positiv gestalten?” (Frage in seiner Sendung vom 18.7., siehe hier: Minute 56:57)

Hier die Antwort: durch umfassende sozio-technische Analyse, siehe beispielsweise socialitybydesign.org. Vielleicht ist dies ja ein Beitrag zur “Betriebsanleitung dieses Fortschritts”, die sich Ranga Yogeshwar in der Sendung wünschte. Ingenieure und Informatiker allein reichen da wirklich nicht.

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PRISM hilft den Piraten nicht? Natürlich nicht!

Warum sollte es auch? Es ändert ja an ihrem Kernproblem, dem Nerdismus, nichts. Und dieser läßt sich leicht erklären: Nach der Überzeugung nicht weniger Kolleginnen und Kollegen verhält es sich mit dem Nerdismus wie mit jedem anderen führenden Teilsystem einer Lebenswelt: wenn dieses Teilsystem inhaltlich die Lebenswelt dominiert, “färbt” es früher oder später mehr oder weniger stark auf andere Teilsysteme ab. Zu beobachten ist dies gesellschaftlich sehr gut am Beispiel der Ökonomie. Auch der Prozeß der Ökonomisierung durchdringt alle anderen Lebensbereiche – mit den teilweise weithin sichtbaren und wohlbekannten Folgen, beispielsweise an den Universitäten (Stichworte hier: Zeitverträge, halbe Stellen, Drittmittelakquise, …) Der linke Emeritus Elmar Altvater widmet sich seit langer Zeit der Globalisierung. Seine Definition der Ökonomisierung als “Unterwerfung sozialer, politischer und natürlicher Verhältnisse unter das ökonomische Prinzip” (siehe dieses Exzerpt) erscheint hier entsprechend passend. Bei der Nerdisierung einer individuellen Lebenswelt scheint dies ähnlich abzulaufen: der Dreh- und Angelpunkt des Lebens, das Nerd-Sein, beeinflußt alle anderen Lebensbereiche – mal positiv, mal negativ. Im sozialen Sinne, so meine Einschätzung, hat dies meist negative Folgen.

Das ist letztlich kaum überraschend, denn nehmen wir einfach mal das keineswegs unrealistische Beispiel eines SAP-Angestellten: Programmierer, 100.000 EUR brutto pro Jahr, gefeiert für seine Erfolge mit seinem Team, weltweit gefragt, absolut sicherer Job und glänzende Zukunftsaussichten. Dank SAP-Job ein Einfamilienhaus im Grünen, zwei Autos, glückliche Familie. Ist dann nicht automatisch alles in Butter? Beruflich: sieht so aus. Sozial (wenn man es mit “beruflich” koppelt oder gar gleichsetzt): sieht ebenfalls so aus. Insgesamt: Natürlich nicht. Denn ähnlich dachten früher auch Väter, die zwar ihre Kinder verprügelten, aber letztlich für einen vollen Kühlschrank sorgten. “Das Kind ist gesund, satt und geht zur Schule – ist doch alles okay, oder?” “Mir haben die Prügel schließlich auch nicht geschadet, ist ja auch was aus mir geworden” usw. usf. – die Floskeln dürften hinlänglich bekannt sein.

Zugegeben, das ist ein drastisches Beispiel. Aber es soll der unzweideutigen Illustration dienen und klarmachen: ein voller Kühlschrank und ein Dach über dem Kopf sind eben nicht alles. Schon ein in Mitleidenschaft gezogenes Teilsystem kann die Erfolge in allen anderen Bereichen trüben – oder umgekehrt: ein besonders erfolgreiches Teilsystem reicht eben nicht aus, um alle anderen automatisch ausreichend positiv zu beeinflussen. Der Volksmund würde dazu wohl beispielhaft sagen: Liebe kann man nicht kaufen. Viele beruflich außerordentlich erfolgreiche Väter und Mütter kennen diesen Satz wohl sehr gut.

Das ist in Bezug auf Piraten alles Unsinn? Die Nerds geben gar nicht den Ton an bei den Piraten, da gibt es ausreichend viele Alternativkräfte? Abgesehen davon, daß ich das stark bezweifeln würde: das sehen die (in diesem Falle extrem wichtigen) Medien ebenfalls anders. Dazu SPIEGEL ONLINE:

“Doch die Piraten wissen selbst nicht, wer sie sein wollen. Sind sie die Spaßpartei, die an Flughäfen Flashmobs organisiert, um einen imaginären Snowden vom Gate abzuholen? Oder sind sie die Neoseriösen, die in gestanztem Polit-Sprech offene Briefe an Angela Merkel schreiben? Ein beunruhigend großer Teil scheint zudem lieber einem Club der Verschwörungstheoretiker angehören zu wollen. In einigen Statements liest sich das Weltbild von Piraten so simpel wie unreflektiert: Snowden ist ein Held. Die Bundesregierung lügt. Geheimdienste sind böse. Eine pure Anti-Haltung wird nicht reichen, um eine Wahl zu gewinnen. Auch mögen die Piraten mehr netzaffine Leute vereinen als alle anderen Parteien zusammen. Doch “das Internet” haben sie damit nicht gepachtet. Die Netzszene beäugt die Partei schon länger skeptisch. Und wirklich überzeugende Argumente, warum die Piraten von innerer Sicherheit und dem Geflecht von Geheimdiensten mehr Ahnung haben sollen als Grüne, SPD oder FDP hat die Partei bislang nicht geliefert.”

(Quelle: spiegel.de; hervorgehoben sind die Nerd-Komponenten)

Dagegen könnte man einwenden, daß dies nur Einzelstimmen seien, die Wirklichkeit (aus Piraten-Sicht) anders aussieht usw. usf. – nur sieht die Wirklichkeit (d.h. die Welt nicht nur aus Piraten-Sicht) eben nicht anders aus, denn sie ist stark mediengeprägt und die Medienanalyse, die ich betreibe, kommt zu keinem anderen Ergebnis. Wenn die Medien dieses Bild immer und immer wieder vermitteln und es nicht auf fixen Ideen, sondern auf plausiblen Beobachtungen besteht, handelt es sich wohl nicht um eine Kampagne gegen die Piraten, sondern um legitime Zustandsbeschreibungen, die wiederum das Bild in der Öffentlichkeit entsprechend prägen.

Es geht hier nicht darum, die Piraten kleinzuschreiben. Darum geht es nie. Ich wäre der Letzte, der Verbesserungen des Verhältnisses Mensch – Digitalisierung kritisieren würde, denn ich fordere sie ja gerade von der politischen Ebene ständig. Wenn die Piraten dazu beitragen könnten: wunderbar. Aber die Piraten tragen einfach zu wenig dazu bei. Die Nerdkultur ist kein Vorbild für die Menschen, an dem sie sich orientieren möchten. Man kann dies allein schon an den Wahlergebnissen der jüngeren Vergangenheit sowie den aktuellen Prognosen für die Bundestagswahl gut erkennen: Nerdchaos wird abgestraft. Allein die vielen Streitereien sind nicht nur Zeichen mangelnder Sozialkompetenz, sondern tragen auch nahezu nichts zur Lösung von drängenden sozio-technischen Problemen bei. Es geht letztlich immer wieder nur um die eigene Nerdkultur, auf die sich viele Piraten gern zurückziehen:

“Popcorn! rufen dann Piraten-Anhänger im Netz und freuen sich über ihren eigenen Unterhaltungswert. Man würde meinen, die Piraten haben aus ihren zahlreichen öffentlich ausgetragenen Peinlichkeiten Lehren gezogen. Das haben sie nicht.

Es interessiert nur kaum noch jemanden.”

(a.a.O.)

Und das ist – da wiederhole ich mich ebenfalls gern – schade.

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Ausstellung: “Rechtsextreme Gewalt in Deutschland 1990–2013”

Mehr dazu (u.a. viele Fotos aus der Ausstellung) bei stern.de:

“Die Ausstellung “Rechtsextreme Gewalt in Deutschland 1990–2013″ wurde zuerst im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden gezeigt, nun gehen die Werke auf Wanderung: Noch bis 14. Juli sind sie in Rottenburg am Neckar zu sehen, ab dem 7. Spetember (sic!) in Dortmund.”

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Die UdK lädt zum Rundgang 2013

Ich zitiere mal von unserer Uniwebsite:

“Er ist eine feste Größe im Berliner Kultursommer: der Rundgang der Universität der Künste Berlin. Jedes Jahr öffnet die größte künstlerische Hochschule Deutschlands für drei Tage wieder die Werkstätten, Ateliers, Studios und Probenräume ihrer vier Fakultäten Bildende Kunst, Musik, Gestaltung und Darstellende Kunst sowie des Zentralinstituts für Weiterbildung und gibt der interessierten Öffentlichkeit die Möglichkeit, die jungen Künstlerinnen und Künstler der Hochschule und ihre Arbeiten kennen zu lernen.

Die Besucherinnen und Besucher erhalten so einen Eindruck von der hohen Qualität und der Vielfalt der künstlerischen und wissenschaftlichen Auseinandersetzungen, die täglich an der UdK Berlin stattfinden. Für alle Mitglieder der UdK Berlin und deren Verwandte und Gäste findet am Abend vor der Eröffnung das Sommerfest statt, welches seit Jahren in erster Linie als Abschlussfest des Semesters stattfindet.

Der Rundgang der Universität der Künste Berlin findet vom 12. bis 14. Juli 2013 statt.”

Mehr Infos hier.

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Constanze Kurz vom Chaos Computer Club (CCC) könnte “explodieren”? Willkommen im Club!

Man braucht nicht viele Worte, um das Problem zu beschreiben. Zwei kurze Absätze reichen:

“Constanze Kurz wirkte während der Sendung diverse Male, als würde sie gleich explodieren”

Es geht um Anne Wills Diskussionsrunde und – natürlich – PRISM, siehe spiegel.de. Und so eine Runde, das kann man aus der Beobachtung vorheriger Sendungen ruhig schlussfolgern, wird im weiteren Verlauf nicht selten immer schlimmer:

“Die Überwachungsprogramme der NSA vermischten sich plötzlich mit personalisierter Internetwerbung, mit Künasts Sorge vor dem Umgang mit ihren Kreditkartedaten. Plötzlich war da wieder dieses allgemeine Unbehagen gegenüber dem Digitalen, das hierzulande präzise und notwendige Diskussionen übers Konkrete so oft verhindert und verwässert. “Wir sind letztlich Dateien”, sagte Michael Stürmer, Historiker und heute Chefkorrespondent von “Welt” und “Welt am Sonntag”, das sei eine “tief beunruhigende Entwicklung” getrieben von Technik, von realen und imaginierten Gefahren. Es sei bislang nicht gelungen, diese Entwicklung “moralisch, rechtlich und politisch in den Griff zu bekommen”.”

(a.a.O.)

Ja, und warum ist es nicht gelungen? Da kann es im Land der Ideen (Digitaler Radiergummi, Realnamenpflicht fürs Internet, Netzsperren, …) nur eine Antwort geben: weil man nicht will! Weder die verantwortlichen Politikerinnen und Politiker noch große Teile der Bevölkerung kommen ihrer (Mit)Gestaltungspflicht ausreichend nach, sondern zeigen sich höchstens – aus Kalkül oder echter Überraschung – überrascht und – Achtung, Buzzwordalarm! – empört, wenn Ereignisse wie die PRISM-Enthüllung auftreten. Das ist ja auch einfacher, als sich auf eine stille Revolution einzulassen, die einen auch mal so richtig herausfordert. Aber so wird das nichts. Ich sehe deshalb einige meiner wesentlichen Thesen entsprechend bekräftigt:

– PRISM wirkt, weil das Abstrakte (= Digitalisierung, digitale Revolution, Digitaltechnik) nun mal sehr konkret wird. Damit wird deutlich, daß eine stille Revolution wie die Digitalisierung aufgrund des essentiellen Elements der Abstraktheit eine entsprechende Herausforderung ist. Erst das Konkrete weckt anscheinend viele Menschen auf. Daran wird es aber auch in Zukunft mangeln, da der Kern der Digitalisierung abstrakt bleiben wird. Es wird nicht für jede Entwicklung ein konkretes, plakatives Beispiel geben, welches Prozesse dermaßen transparent macht wie jetzt PRISM. Ergo: nur wer mit der Abstraktheit (0 und 1, Von-Neumann-Architektur, Prozessordesign, Hochsprachen, etc.) umgehen kann, kann Digitalisierung dauerhaft erfolgreich verstehen – und mitgestalten.

– Deutschland widmet sich der Digitalisierung inhaltlich nicht ausreichend. In einem Land, welches Hochtechnologie an sich problemlos entwickeln kann, ja sogar Weltmarktführer in so vielen Bereichen ist, kann es somit nicht am Können, sondern nur am Wollen liegen. Ahnungslose Politikdebatten zeigen dies auch hier wieder beeindruckend. Auch in diesem Fall hat sich nichts geändert. Inhaltliche Ahnungslosigkeit in Sachen Digitalisierung gilt anscheinend als Mittel der Wahl, um klarzumachen, daß man von nichts gewußt habe. Und die Bürger scheinen es zu akzeptieren: ist ja auch verflixt komplexes Zeug, diese Digitalisierung! Sowas aber auch! Da kann einen der Silicon-Valley-Nerd schon mal digital über den Tisch ziehen!

– Die Musik spielt längst woanders und ein Aufholen dieser Entwicklung wird von Tag zu Tag schwieriger. Ich sehe immer wieder zwei Kontinente, die in Sachen Digitalisierung (nicht nur “Internet” bzw. “WWW”!) weit vorne sind: Amerika (sprich: USA) und Asien (sprich: China, Japan, Südkorea). Dies bestätigt sich auch hier, auch in Anne Wills Runde. Was soll man schon machen, die Amis und die Chinesen haben eh alles im Griff. “Wir sind letztlich Dateien”.

Na, dann: gute Nacht.

P.S.: Es gibt gerade in der Wissenschaft zunehmend mehr exzellente Kolleginnen und Kollegen, die hier wunderbare Arbeit leisten, doch das reicht letztlich nicht, wenn man an den entscheidenden Stellen nicht will und das große Ganze nicht sieht. Die Gestaltung der Digitalisierung ist eine Aufgabe von nationalem Rang, aber diese Erkenntnis ist offenbar noch immer nicht überall angekommen. Dieser Appell geht deshalb nicht an Wissenschaft und Wirtschaft, sondern in Richtung Politik und Bevölkerung. Hier ist noch sehr viel Arbeit zu leisten!

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